Bayerns Volksbanken und Raiffeisenbanken bestehen Corona-Stresstest
Genossenschaftliche Bankengruppe gehört zu den profitabelsten in Europa
von Genossenschaftsverband Bayern e.V.
„Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken haben den Corona-Stresstest bestanden und sind gut durch das Geschäftsjahr 2020 gekommen“, sagte Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), am Mittwoch bei der Bilanzpressekonferenz in München. „Das Geschäftsmodell der Bankengruppe mit seiner regionalen Ausrichtung erweist sich als robust“, ergänzte Gros. Sowohl bei aufgenommenen Kundengeldern als auch bei ausgereichten Krediten verzeichnen die Volksbanken und Raiffeisenbanken eine deutliche Zunahme. „Das Kreditwachstum erreichte mit 7,6 Prozent den höchsten Wert seit 20 Jahren“, stellte der GVB-Präsident heraus. Die Bilanzsumme erhöhte sich um 8,5 Prozent von 175,7 Milliarden Euro auf 190,7 Milliarden Euro.
Die Höhe der ausgereichten Kredite stieg um 7,6 Prozent und beläuft sich zum Ende des Jahres 2020 auf 117,1 Milliarden Euro – ein Jahr zuvor waren es 108,8 Milliarden Euro. Damit hat das Kreditwachstum die Steigerung der Vorjahre nochmals übertroffen und den höchsten Wert seit 20 Jahren erreicht. Die Ausleihungen an Privatpersonen stiegen um 6,8 Prozent von 48,5 Milliarden Euro auf 51,8 Milliarden Euro. Stark blieb das Kreditgeschäft mit Firmenkunden. Das Volumen an Unternehmensdarlehen legte um 8,7 Prozent zu – sie beliefen sich auf 61,9 Milliarden Euro, nach knapp 57 Milliarden Euro im Jahr davor.
Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken waren wichtige Drehscheiben bei der Vergabe von Krediten im Zuge der Bekämpfung der Corona-Folgen. Neben Darlehen auf das eigene Kreditbuch vergaben die Institute im vergangenen Jahr insgesamt 7.023 Förderkredite im Volumen von mehr als 1,8 Milliarden Euro. 90 Prozent davon entfielen auf Kredite der KfW, zehn Prozent auf solche der LfA. Den mit Abstand größten Anteil hatte der KfW Unternehmerkredit KMU, der 62 Prozent, beziehungsweise 1,1 Milliarden Euro ausmachte.
„Das Modell der regionalen Hausbank hat in der Corona-Krise seine Stärke bewiesen“, betonte Gros. „Die bayerischen Kreditgenossenschaften stehen seit Beginn der Pandemie an der Seite ihrer Kunden und sichern kurzfristig Liquidität durch Stundungen, Förderkredite und Firmendarlehen.“
Stabiles Immobiliengeschäft
Weiterhin stabil entwickelte sich das Immobiliengeschäft. Die Baubranche zeigte sich von der Pandemie unbeeindruckt und die Investitionen waren ungebrochen. Kredite für den Wohnungsbau wuchsen von 60,9 Milliarden Euro auf 66,2 Milliarden Euro – das entspricht einem Plus von 8,8 Prozent.
Schmerzhafter Anstieg bei Kundengeldern
Bei den Kundengeldern verzeichneten die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken einen schmerzhaften Anstieg um 6,5 Prozent von 136,6 Milliarden Euro auf 145,5 Milliarden Euro. Firmenkundengelder beliefen sich zum Jahresende auf 39,6 Milliarden Euro, eine Steigerung um neun Prozent, beziehungsweise 3,3 Milliarden Euro. Auf Seite der Privatkunden stiegen die Einlagen um 6,2 Prozent, beziehungsweise 5,6 Milliarden Euro auf 96 Milliarden Euro. Grund für diese Zunahme dürften die anhaltenden Unsicherheiten sowie eingeschränkte Konsummöglichkeiten sein. Viele Kunden schichteten bei ihren Einlagen zudem um. Während Termin- und Spareinlagen im abgelaufenen Jahr zurückgingen, legten liquide Sichteinlagen um 12,6 Prozent, beziehungsweise elf Milliarden Euro zu.
Bayerns Volksbanken und Raiffeisenbanken unter profitabelsten Bankengruppen Europas
Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken blicken beim Ergebnis auf ein erfolgreiches Jahr 2020 zurück. Dem Corona-bedingten Wirtschaftseinbruch zum Trotz blieb das Gesamtbetriebsergebnis (operatives Ergebnis) mit 1,5 Milliarden Euro nahezu stabil. Nach Risikovorsorge und Wertberichtigung erwirtschafteten die Banken ein Ergebnis vor Steuern in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro. Das liegt zwar um 254 Millionen Euro niedriger als im Vorjahresvergleich. Das Jahr 2019 war aber durch Sondereffekte wie hohe Wertpapierzuschreibungen geprägt. Um diese Sondereffekte bereinigt, blieb das operative Ergebnis damit auf dem Niveau der Vorjahre. Insgesamt zählen die Volksbanken und Raiffeisenbanken weiterhin zu den profitabelsten Bankengruppen Europas.
Trotz des turbulenten Börsenjahres wird es kaum Abschreibungen bei Wertpapieren geben. Auf ihr Wertpapierportfolio mussten die 222 Banken lediglich 55 Millionen Euro abschreiben.
Kreditgenossenschaften stärken Kapitalbasis
Die Genossenschaftsbanken im Freistaat hatten 2020 ihre Kreditbücher eng im Blick. Bislang ist die Risikosituation unauffällig. „Die viel heraufbeschworene Insolvenzwelle, verbunden mit einer kräftigen Zunahme der Kreditausfälle, ist bisher nicht erkennbar“, sagte Gros. Das dürfte sich auch im Jahresverlauf nicht ändern, obwohl der weitere Ausblick von vielen Unsicherheiten behaftet bleibe. Ein wesentlicher Grund dafür sei der sehr heterogene Verlauf der Lockdowns, der Branchen höchst unterschiedlich erfasst. „Branchen, die unter den politischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens besonders leiden, gehören nur in geringem Maße zu den Kreditnehmern der bayerischen Kreditgenossenschaften“, betonte Gros.
Und auch innerhalb der Branchen zeigten sich Unterschiede. So litten beispielsweise Hotels in Ballungszentren, mit starker Ausrichtung auf Geschäfts- und Kongresskunden, besonders unter den politischen Einschränkungen. In ländlichen Regionen hingegen sind diese Betriebe bei allen Herausforderungen bisher zumeist besser durch die Lockdowns gekommen – diese Unternehmen sind häufig familiengeführt, wirtschaften in der eigenen Immobilie und konnten im Sommer von den zahlreichen Heimaturlaubern profitieren.
Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken agieren weiterhin vorsichtig und vorausschauend, um gegen mögliche Pleiten gewappnet zu sein. Im Forderungsbereich nahmen die genossenschaftlichen Institute Abschreibungen in Höhe von 73 Millionen Euro vor. Diese Abschreibungen sind im Wesentlichen regulatorisch bedingt und kein Anzeichen für erhöhte insolvenzbedingte Wertkorrekturen.
Insgesamt konnten die Institute ihre Kapitalbasis weiter stärken. Das harte Kernkapital legte um knapp 1,2 Milliarden Euro auf rund 17 Milliarden Euro zu – eine Steigerung um etwa 7,6 Prozent. Die harte Kernkapitalquote belief sich auf 15,89 Prozent, eine Zunahme um 0,25 Prozentpunkte.
Niedrigzinsumfeld bleibt Herausforderung
Nach wie vor bleibt das Niedrigzinsumfeld aufgrund der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Herausforderung für die Banken. Der weiterhin hohe Passivüberhang ist für die Banken zunehmend belastend. Aus diesem Grund schrumpft die Ertragsspanne der Banken weiter.
Das Zinsergebnis lag bei 2,855 Milliarden Euro und gab damit um 2,6 Prozent (75 Millionen Euro) nach. Die Zinsspanne betrug 1,56 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme, nach 1,71 Prozent im Jahr 2019. Der Rückgang im Zinsgeschäft konnte teilweise durch eine Zunahme im Provisionsgeschäft ausgeglichen werden. Das Provisionsergebnis belief sich auf 1,245 Milliarden Euro und damit 45 Millionen Euro (3,8 Prozent) über dem Niveau des Vorjahres. Die Provisionsspanne lag bei 0,68 Prozent, nach 0,70 Prozent im Jahr davor.
Die Volksbanken und Raiffeisenbanken arbeiten zudem kosteneffizient. Die Betriebskosten gingen im vergangenen Jahr leicht zurück und betrugen rund 2,6 Milliarden Euro. Der Anteil der Kosten an der durchschnittlichen Bilanzsumme lag mit 1,44 Prozent deutlich unter dem Vorjahreswert von 1,54 Prozent. Die Cost-Income-Ratio (CIR) verbesserte sich leicht auf 64,2 Prozent – im Jahr 2019 lag diese bei 64,3 Prozent. Die Banken konnten ihre Effizienz weiter steigern.
Fünf Fusionen hat die genossenschaftliche FinanzGruppe in Bayern im vergangenen Jahr verzeichnet. Zum Stichtag 31. Dezember 2020 gab es in Bayern 222 Volksbanken und Raiffeisenbanken. Deren durchschnittliche Bilanzsumme stieg um elf Prozent von 774 Millionen Euro auf 859 Millionen Euro. Der Median der Bilanzsumme liegt aktuell bei 464 Millionen Euro.
Bargeld muss ein Stück Freiheit bleiben
Die Planungen der EZB zur Einführung eines digitalen E-Euro knüpft der GVB an Bedingungen. „Im Falle einer Einführung müssen in jedem Fall einige Kriterien erfüllt sein“, betonte Gros. So dürfte ein E-Euro das zweistufige Bankensystem nicht infrage stellen. „Durch ihre Transmissionsfunktion schaffen Banken aus einem Euro Zentralbankgeld zehn Euro Buchgeld in Form von Krediten. Dieser Mechanismus darf nicht unterbrochen werden“, forderte Gros. Ansonsten könne es zu Einschränkungen bei der Kreditvergabe kommen und der Wirtschaftskreislauf würde empfindlich gestört.
Darüber hinaus dürfe der E-Euro nicht zu einem geldpolitischen Instrument werden. Im Gegensatz zu Bargeld wäre ein E-Euro programmierbar. „Die EZB könnte per Knopfdruck die Zinsen auf den gesamten E-Euro-Bestand verändern. Diese Zweckentfremdung von Zahlungsmitteln zur Geldpolitik muss ausgeschlossen sein“, stellte Gros fest.
„Der E-Euro sollte Bargeld allenfalls ergänzen, nicht ersetzen“, sagte Gros: „Bargeld ist ein Stück Freiheit. Daher muss es den Menschen überlassen bleiben, welches Zahlungsmittel sie wählen. Die persönlichen Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte sind im Bereich des Zahlungsverkehrs ein hohes Gut, das es zu schützen gilt.“
GVB positioniert sich zur Bundestagswahl
Im Bundestagswahljahr hat der GVB Positionen mit Forderungen an die Politik formuliert. So spricht sich der GVB für einen wirksamen Kampf gegen Geldwäsche aus. Die Geldwäschebekämpfung funktioniere in der Praxis aber nicht immer, weil die zuständige Behörde, die FIU (Financial Intelligence Unit), mit der Menge an Meldungen überfordert ist. „Anstatt regulatorisch immer mehr draufzusatteln, sollten geltende Gesetze wirksam angewandt werden“, sagte Gros. So müssten die Ressourcen bei der FIU ausgebaut und auch andere Bereiche außerhalb des Finanzsektors stärker in den Blick genommen werden. „Ständig neue bürokratische Vorgaben für Banken sind nicht zielführend.“
Der GVB bekennt sich dazu, Nachhaltigkeit im Finanzsektor zu fördern. „Das muss aber mit den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft erreicht werden, nicht mit dirigistischen staatlichen Eingriffen“, stellte Gros fest. Der Staat müsse sich darauf beschränken, einen ordnungspolitischen Rahmen vorzugeben und alles weitere den Marktakteuren überlassen.
Auf Goldplating verzichten
An die Politik appelliert Gros zudem, künftig auf „Goldplating“ zu verzichten. Unter Goldplating versteht man die Verschärfung von EU-Richtlinien durch den nationalen Gesetzgeber. Entgegen eigener Bekundungen sei es in der laufenden Legislaturperiode 14-mal dazu gekommen. „Der deutsche Gesetzgeber sollte seinen Ankündigungen auch Taten folgen lassen und ein Anti-Goldplating-Gesetz verabschieden“, sagte Gros. In Österreich sei ein solches Gesetz bereits beschlossen worden.