Memorandum zur Aktiensteuer
von fpmi
1. Von der Finanztransaktionssteuer zur Aktiensteuer
Eine Finanztransaktionssteuer (FTT) zielt grundsätzlich darauf ab, den Handel mit Finanzinstrumenten (z. B. Aktien, Unternehmensanleihen oder Derivate) zu besteuern. Mit ihr soll – so die politische Argumentation – die Finanzbranche an den Kosten der Finanzkrise beteiligt, Anreize für krisenrelevante Spekulationen gesenkt und nennenswerte Steuereinnahmen generiert werden.
Für eine FTT gibt es EU-weit keinen Konsens. Im Gegenteil: Die überwiegende Mehrheit der Mitgliedsstaaten lehnt die FTT aus Sorge vor negativen Effekten ab. Selbst wenn eine wirksame Vermeidung von globalen Spekulationsblasen nur durch ein internationales gemeinsames Handeln möglich ist, haben sich nur neun Mitgliedsstaaten im Rahmen einer sogenannten „verstärkten Zusammenarbeit“ zu Verhandlungen über die Einführung einer FTT verständigt. Der Entwurf für die entsprechende Europäische Richtlinie (EUFIN 427/2019) liegt seit Dezember 2019 vor. Die FTT ist demnach nur für den Kauf von Aktien vorgesehen – und zwar in Höhe von mindestens 0,2 Prozent pro Transaktion. Betroffen sind Aktien jedes Unternehmens, das seinen Hauptsitz in einem der teilnehmenden Mitgliedsstaaten hat und dessen Marktkapitalisierung eine Milliarde Euro übersteigt. So ausgestaltet wird die FTT von der Finanztransaktionssteuer zu einer reinen Aktiensteuer. Ländern, die voraussichtlich geringere Einnahmen aus der geplanten Steuer zu erwarten haben als Verwaltungsaufwand entsteht, wird ein Sockelbetrag in Höhe von 20 Millionen Euro garantiert. Dies führt nach den Vorstellungen von Bundesfinanzminister Scholz dazu, dass Slowenien, Slowakei, und Griechenland zusammen 50 Millionen Euro aus dem Gesamtaufkommen erhalten sollen.
Zu beachten ist, dass die neuen Regeln nicht für die 17 anderen EU-Länder und auch nicht für Großbritannien gelten. Profianleger werden dies nutzen und ausländische Börsenbetreiber davon profitieren.
2. Kann die Aktiensteuer die gesetzten Ziele erreichen?
Keines der mit der FTT verbundenen politischen Ziele – Eindämmung von Spekulation, Kostenbeteiligung und Einnahmeerzielung – wird mit dem vorliegenden Vorschlag erreicht:
- Die Steuer belastet ausschließlich den Aktienhandel, der nicht Auslöser der Finanzkrise war. Ganz im Gegenteil: der Aktienmarkt hatte in der Finanzkrise eine stabilisierende Rolle, da er dazu beigetragen hat, dass Unternehmen weiterhin Kapital aufnehmen und damit die Krise besser bewältigen konnten.
- Die mit der Aktiensteuer verbundene Steuerbelastung wird – wie bei der Mehrwertsteuer – letztlich auf (Privat-)Anleger und kapitalsuchende Unternehmen überwälzt. Die Finanzindustrie muss die Steuer zwar abführen, aber tragen wird sie sie nicht. Darauf weisen auch der IWF, die Deutsche Bundesbank und die EU-Kommission hin. Auch das Gutachten der Universität Hohenheim vom Dezember 2019 bewertet die Einführung der FTT als Aktiensteuer negativ.
- Während ursprünglich von der Politik Einnahmen in Höhe von insgesamt 35 Mrd. Euro prognostiziert wurden, geht man jetzt von lediglich 3,5 Mrd. Euro aus.
- Rund 2/3 der Steuereinnahmen würden Frankreich (wo es die Steuer, wie in Italien, ohnehin schon gibt) und Deutschland erzielen. Für Deutschland belaufen sich die nunmehr geschätzten Einnahmen auf 1,5 Mrd. Euro. Dieser Betrag wird durch die entstehenden Verwaltungskosten noch weiter verringert. Bundesfinanzminister Scholz hat sie jedoch zusätzlich für die Finanzierung der Grundrente vorgesehen und im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit zugesagt, einen nicht unerheblichen Teil an andere Mitgliedsstaaten abzugeben, damit diese dieser Steuer zustimmen. Damit käme es erstmals zu einer direkten Umverteilung von Steueraufkommen innerhalb der EU, und zwar zu Lasten Deutschlands.
- In Frankreich ist bereits erkennbar, dass die 2012 eingeführte Steuer die Ziele verfehlt hat. Der französische Rechnungshof richtete am 19. Juni 2017 eine kritische Mitteilung an die Minister für Wirtschaft und öffentliche Finanzen. Demnach würden mit der Besteuerung nicht die spekulativen Aktivitäten des Finanzsektors belastet werden, sondern die Aktiensparer. Da die Steuer dort zu niedrige Einnahmen generiert hat, wurde sie bereits einmal von 0,2 auf 0,3 Prozent angehoben9. Diese Entwicklung in Frankreich steht im Widerspruch zur Aussage von Bundesfinanzminister Scholz. Er hatte in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 10.09.2019 u.a. dafür geworben hatte, sich am „gut funktionierenden französischen Beispiel zu orientieren (…)“. Wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen der FTT in Frankreich und in Italien zeigen, dass die Marktliquidität deutlich unter der Steuer leidet und die Schwankungen der Aktienpreise zunehmen. Das ist nicht im Sinne der Stabilisierung der Märkte, die nach der Finanzkrise von allen Seiten gefordert wurde.
3. Wie wirkt sich die geplante Aktiensteuer gesamtwirtschaftlich aus?
Die Aktiensteuer schadet dem Standort Deutschland:
- Die Aktiensteuer trifft aufgrund der zu erwartenden Überwälzung nicht nur die zehn Millionen Kleinanleger in Deutschland, die für ihren Vermögensaufbau und ihre Altersvorsorge ihre Ersparnisse direkt in Aktien oder indirekt über Fonds investiert haben. Auch für langfristige Anlagen, in der betrieblichen Altersvorsorge und bei Mitarbeiteraktien wird sie die Erträge definitiv schmälern. Zudem schafft die Steuer Anreize zu riskanten Umgehungsgeschäften.
- Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sie – nicht allein wegen ihrer Höhe, sondern vor allem wegen ihrer psychologischen Wirkung – potenzielle Anleger von der Aktienanlage abschreckt, obwohl diese in der anhaltenden Niedrigzinsphase dringend für ihre Altersvorsorge in Aktien anlegen müssten, um später nicht auf die staatliche Wohlfahrtspflege angewiesen zu sein.
- Gleiches gilt für die Finanzierung von Investitionen über die Börse. Den Märkten wird Liquidität entzogen, und Börsen und Kapitalmärkte werden unattraktiver. Damit gefährdet die Aktiensteuer Arbeitsplätze in Deutschland und Europa, weil sich Unternehmen schlechter über die Börse finanzieren können. Die Steuer belastet damit die Realwirtschaft.
- Unternehmen aus Bayern wären besonders betroffen, weil sie zu den erfolgreichen Unternehmen Deutschlands zählen und ihre Marktkapitalisierung häufig über der Grenze von 1 Mrd. Euro liegt. Betroffen wären gegenwärtig 7 bayerische Dax- (Adidas, Allianz, BMW, Infineon, Münchener Rück, Siemens, Wirecard), 12 MDax- (z. B. Siemens Healthineers, MTU Aero Engines, Telefonica Deutschland) und 9 SDax-Unternehmen (z. B. Rational, Sixt, Wacker Chemie), neben vielen weiteren bayerischen Unternehmen wie Krones und Aurelius.
4. Fazit
Die Aktiensteuer
- erreicht nicht die mit ihr ursprünglich verbundenen Ziele,
- verursacht erhebliche gesamtwirtschaftliche und sozialpolitische Schäden,
- ist ein Einstieg in neue Umverteilungsmechanismen in der EU.
Die fpmi fordert daher, auf die Einführung dieser Steuer zu verzichten. Sie unterstützt die Bestrebungen des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, durch die (Wieder-) Einführung einer Spekulationsfrist für Aktien die Altersvorsorge zukunftsfähig zu gestalten und die Aktienkultur zu fördern. Dies darf nicht parallel mit einer neuen Aktiensteuer konterkariert werden.
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Über die Finanzplatz München Initiative:
Bayern mit seinem Zentrum München ist einer der bedeutendsten Finanzplätze Europas, der größte Versicherungsplatz Deutschlands, der zweitgrößte deutsche Bankenstandort und führend für Private Equity, Venture Capital, Leasing sowie Asset Management. In der Finanzplatz München Initiative haben sich alle wichtigen Unternehmen, Verbände, Institutionen sowie wissenschaftliche und staatliche Einrichtungen aus der Finanzbranche zusammengeschlossen, um mit einer Stimme zu sprechen. Gegründet 2000 unter maßgeblichem Engagement des bayerischen Wirtschaftsministeriums zählt die Initiative heute knapp fünfzig Teilnehmer und damit mehr als jede andere Finanzplatzinitiative in Deutschland.
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