Nachhaltiges Finanzwesen – Stabilität und Anwendbarkeit gewährleisten
Die EU-Kommission (EU-KOM) hat im Mai 2018 vier Legislativvorschläge veröffentlicht. Gemeinsames Ziel umfangreicher Detailregelungen ist es, Nachhaltigkeitsaspekte systematisch in den Investitionsprozess zu integrieren. Im Zentrum der Vorschläge steht ein System, mit dem wirtschaftliche Tätigkeiten als nachhaltig eingestuft werden sollen (Taxonomie). Die Taxonomie ist noch nicht final festgelegt, allerdings werden im Report der Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG) zur EU-Taxonomie bereits die technischen Überprüfungskriterien für 67 Aktivitäten in acht Sektoren als Beitrag für die Reduktion des Klimawandels dargelegt. Die Empfehlungen der TEG sollen die EU-KOM bei der Entwicklung der delegierten Rechtsakte unterstützen.
Die fpmi hält ein stabiles, nachhaltiges Finanz- und Versicherungswesen in Europa für unerlässlich und selbstverständlich – ebenso den Einsatz der Unternehmen der Real- und der Finanzwirtschaft für den Klimaschutz. Nationale oder europaweite Initiativen sind immer vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs zu sehen. Die fpmi appelliert daher an die politischen Entscheidungsträger in der EU, keine Alleingänge zu planen, die europäische Unternehmen bzw. Industriezweige im weltweiten Wettbewerb übermäßig belasten. Daneben regt die fpmi an, erprobte Instrumente der Wirtschafts- und Fiskalpolitik, wie die öffentliche Kreditvergabe durch Förderbanken, zu nutzen, um die europäischen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Diese Instrumente haben sich bewährt und sollten ausgebaut werden.
Die fpmi begrüßt politische Bemühungen für ein nachhaltiges Finanzwesen, weist allerdings darauf hin, dass die Finanzindustrie bereits heute in großem Umfang private Investitionen für nachhaltige Zwecke, wie den Klima- und Umweltschutz, mobilisiert und die Finanzierung von Infrastrukturprojekten bereitstellt. In der Diskussion über neue Vorschriften bittet die fpmi darum, folgende Leitlinien zu berücksichtigen:
1. Europaweite Grundprinzipien und Minimalstandards bezüglich einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit und deren einheitliches Klassifizierungssystem („Taxonomie“) sollten im engen Dialog mit der Real- und der Finanzwirtschaft entwickelt werden. Andernfalls könnte die internationale Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher Sektoren nachhaltig beeinträchtigt werden. Jeder Schritt zu einem entsprechenden System muss deshalb sorgfältig mit den Betroffenen abgestimmt und in Übergangs- und Testphasen erprobt werden. Eine angemessene Handhabbarkeit sollte bei der Ausgestaltung der Taxonomie im Vordergrund stehen.
2. Nachhaltigkeitsziele dürfen Stabilitätsziele in der Finanzwirtschaft nicht konterkarieren. Eine einseitige Bevorzugung „grüner“ Anlagen würde zu falschen Risikomanagement-Anreizen und Fehlallokationen am Kapitalmarkt führen und kann die Finanzstabilität gefährden.
3. Die von der EU-KOM in den Blick genommenen Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (sog. „ESG-Kriterien“) sind gemeinsam und als Ganzes zu betrachten. Der aktuelle EU-KOM Fokus auf ökologische Aspekte sollte zeitnah und einfach handhabbar um die beiden anderen Kriterien ergänzt werden, um eine Gesamtbetrachtung zu gewährleisten und der Komplexität des Wirtschaftens gerecht zu werden.
Werden diese drei Leitlinien berücksichtigt, führt dies aus Sicht der fpmi zu folgenden konkreten Anforderungen, denen europarechtliche Regeln gerecht werden sollten:
1. Für eine adäquate Risikobetrachtung und Risikosteuerung ist die Einführung eines allgemein anzuwendenden „Green Supporting Factors“ ungeeignet. Pauschale Diskontierungssätze für „nachhaltige Risikoaktiva“ zur Senkung der Eigenkapitalanforderungen an Banken sollten daher weder im Standard- (KSA) noch im ratingbasierten Ansatz (IRBA) vorgesehen werden. Bei Banken und Versicherungen würden pauschale Erleichterungen zu einer nicht risikogerechten Allokation von Kapital führen. Maßstab für Eigenkapitalanforderungen muss stets das individuelle Risiko bleiben.
2. Die Kundenberatung darf nicht mit regulatorischen Anforderungen überfrachtet werden. Eine Pflicht für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Vermögensberater, im Kundengespräch Nachhaltigkeitsziele abzufragen, ist nicht zu befürworten. Das Beratungsgespräch sollte von Bürokratie entlastet, statt noch weiter mit formalen und inhaltlichen Anforderungen überfrachtet zu werden.
3. Eine undifferenzierte Erweiterung der Offenlegungspflichten zu Klimafaktoren nichtfinanzieller Unternehmen führt zu überbordender Bürokratie. Um künftige Anforderungen an das Risikomanagement erfüllen und um eine nachhaltige Kapitalallokation unterstützen zu können, ist die Finanzindustrie auf relevante Informationen zu ESG-Kriterien der Realwirtschaft angewiesen. Dennoch darf der Aufwand für die Realwirtschaft im internationalen Vergleich nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen. Bei der Ausgestaltung neuer Anforderungen an das Management und die Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Nationales Goldplating, z. B. durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, sollte ausgeschlossen werden. Eine entsprechende Offenlegung ist zudem nur sinnvoll, wenn Nachhaltigkeitsthemen für den geschäftlichen Erfolg des Unternehmens wesentlich sind. Für alle Unternehmen ist es wichtig, dass zur Implementierung der Offenlegungspflicht großzügig Zeit gegeben wird.
4. Die Taxonomie sollte schlank und flexibel ausgestaltet werden, sodass alle Unternehmen, auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU), sie ohne großen bürokratischen Aufwand anwenden können. Sie muss zudem individuelle Nachhaltigkeitsstrategien und Transformationspfade von Unternehmen berücksichtigen, sodass eine Entwicklung hin zu nachhaltigerem Wirtschaften honoriert wird. Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Strategien in Wertschöpfungsketten sind ebenso in der Taxonomie zu berücksichtigen wie die internationale Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Unternehmen und damit die Akzeptanz des Standards in internationalen Raum. Damit die Taxonomie für den Finanzsektor anwendbar bleibt, sollte sie nur auf als „grün“ vermarktete Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen Anwendung finden.
5. Die Taxonomie ist von so grundlegender Bedeutung, dass sie durch den europäischen Gesetzgeber definiert werden muss. Ihre Erarbeitung darf nicht ausschließlich der EU-KOM in nachgelagerten Rechtsakten überlassen bleiben.
6. Die Integration von ESG-Kriterien in Vergütungsregeln für Geschäftsleitungsmitglieder von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen würde keinen Mehrwert bieten, sondern deren notwendigen Risikobezug verwässern. Denn bestehende Vergütungsregeln berücksichtigen bereits das Thema Nachhaltigkeit durch Anreize für eine langfristig positive Geschäftsentwicklung. So sind für viele Unternehmen ESG-Kriterien bereits Teil der langfristigen Unternehmensstrategie.
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